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Das böse, böse Internet

Sechs Jahre nach dem ersten Test hat die Zeitschrift Glaswelt wieder Markisen aus dem Internet auf ihre Gebrauchstauglichkeit getestet. Eigentlich sollte man doch vermuten können, dass die Anbieter im World Wide Web etwas dazu gelernt haben. Diesmal wurden gleich drei Markisen inkognito im Internet bestellt, bezahlt und geprüft. Berichtet wurden die Ergebnisse in mehreren Steps mit weitergehenden Versuchen. Auch die Stoffe wurden diesmal besonders genau in Bezug auf die Reachverordnung untersucht. Aber jetzt zuerst einmal der Test einer 7 × 4 m Kassettenmarkise, die mit einem ganz klaren Ergebnis abgeschlossen hat.

 

(Folgender Beitrag ist erschienen im Heft GLASWELT 08.2018)


 

 

 

 

So wie hier gezeigt mit all den Dellen und Macken kam die Markise frisch aus dem Karton. Normalerweise wäre sie direkt retour gegangen. Die Stromführung 220 Volt (rot-schwarz) und 24 Volt (weiß) ist „allerliebst“ und gefährlich.


Gespannt sein darf man schon jetzt auf die Reaktionen der geprüften Anbieter. Hersteller-namen werden wir nicht nennen, by the way es gibt auch gar keine. Aber auch die Bezugsquellen werden wir nicht nennen, denn hier soll es um eine Stichprobenkontrolle gehen, nicht um einen Vergleichtstest. Auch die Frage, ob wir das über-haupt dürfen, oder noch wichtiger auch können, ist schnell beantwortet: Wir können und dürfen. Die Fachkompetenz und Qualifikation der durch-führenden Personen ist vorhanden und das System 4 lässt in Verbindung mit der Produktnorm DIN EN 13561:2009 und der Prüfnorm DIN EN 1932:2001 ein solches Vorgehen zu. So weit zur Ausgangslage. Bestellt wurden die über das Internet recherchierten Markisen online, per Vorkasse bezahlt und sofort zu einer Sammeladresse in einem Prüflabor weiter-transportiert.

Diesmal war zwar nichts gebrochen, dafür gab es aber mächtig geknickte Stimmung. Die nach DIN EN 1932:2001 geprüfte Markise war schon nach der ersten simulierten Wind-belastung durch Wasserkanister nicht mehr gebrauchsfähig.


Der Lieferzustand

Um es kurz zu machen: Bei drei Markisen gab es drei unterschiedliche Ergebnisse bei der Betrach-tung des ersten optischen Eindrucks. Wir befassen uns ab jetzt mit dem Prüfling A, weitere Berichte erfolgen nach den anschließeneden Laborunter-suchungen (Stoffanalyse, Materialprüfungen etc.) in den nächsten Ausgaben der GLASWELT. Betrachtet man das Aufmacherbild auf der gegenüberliegenden Seite etwas genauer, so kann man sicher die entsetzten Reaktionen der Prüfer verstehen, nachdem die Markise in der Abmessung 7 × 4 Meter das erste Mal ausgefahren wurde. Beschichtete Dellen und Macken, Rückstände durch Sägegrat, unsauber oder besser gar nicht bzw. vollkommen unsachgemäß verlegte Kabel hätten aus der eigentlichen Sicht des Käufers sofort dazu führen müssen, die Markise gleich wieder abzubauen, einzupacken und an den Absender zurückzuschicken. Wohlgemerkt, wir reden nicht von Transportschäden, sondern dem im Werk bekannten Lieferzustand.

Verbiegungen und Verformungen gingen so weit, dass die Beschichtungen der Bauteile abgeplatzt sind.

Optionale Beleuchtung: Kann man das noch dilettantischer und optisch hässlicher ausführen?


Testbeginn: Noch stimmt die Neigung und der Markisenlift gewährleistet ein ruckfreies und für die Tester sicheres Belasten des Ausfallprofils mit den Gewichten.

Bereits nach 30 Sekunden hängt die Markise schon fast auf dem Boden. Die später aufstehenden Wasserkanister verhindern ein weiteres Absinken des Ausfallprofils.


Aber es geht noch besser, denn außer der beim Bestellvorgang generierten PDFs (Angebot und Rechnung) gibt es keine weitere Dokumentation, wie z. B. Montage-anleitung, Bedienungs-, Wartungs- oder Pflegeanleitung.

Da weder auf der Markise, noch auf dem Verpackungskarton ein CE-Zeichen vorzu-finden war, verfügt die Markise in Ver-bindung mit der fehlen-den Dokumentation oder entsprechenden Down-loadlinks über keine CE-Zertifizierung nach euro-päischer Vorgabe und dürfte so überhaupt nicht in den Verkehr gebracht werden. Überprü-fungen, ob Motoren und Steuerungs-elemente ordnungs-gemäß bei der Stiftung Ear zu der WEEE-Richt-linie 2012/19/EU (Entsorgung von Elektro- und Elektronik-geräten) registiert sind, stehen zur Zeit noch aus.

Prüfung zur mandatierten Eigenschaft Wind

Die Vorgehensweise und der Prüfungs-ablauf zur Windlastprüfung sind klar gere-gelt. Geprüft wurde nach der üblichen Windwiderstandsklasse 2, das bedeutet eine Belastung von 70 N/m2. Anderweitge Informationen waren ja aufgrund der fehl-enden Dokumentationen nicht vorhanden. Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass es hier um die Prüflasten an der Markise selbst geht, nicht um die der Befestigung. Die Markise wurde dazu mit Maschinen-schrauben M12 an einer Stahlkonstruk-tionen gemäß den Aufklebervorgaben Konsole an der Markise befestigt. Die Markise war mit drei Gelenkarmen und vier Konsolen ausgeführt.

Das aufzubringende Gewicht wurde mithilfe von Wasserkanistern realisiert, die über eine Waage auf 50 g genau befüllt wurden. Die Gewichte wurden in das zuvor mit einem

Markisenlift abgestützte Ausfallprofil an den gemäß Norm vorgegebenen Punkten eingehängt und dann durch das Senken des Markisenlifts die Markisenkonstruktion gleichmäßig belastet. Bereits beim ersten Absenken gab die Markise, wie auf den Bildern auf dieser Seite gut zu erkennen, um 1,5 m nach. Es traten bereits bei der Prüfsequenz 3 mit der Nominallast so starke Verformungen und Abknickungen im Armbereich und den Oberarmlagern auf, dass die Prüfung nicht weitergeführt werden konnte und die Markise so weit beschädigt war, dass sie nicht mehr gebrauchstauglich war. Beim Zusammenfahren der Markise brach dann auch der Ausfallprofilhalter aus, sodass eine zusätzliche Gefahr durch eine mögliche Kraftentladung des nicht mehr beidseitig fixierten Markisenarms hätte stattfinden können. Für den unerfahrenen Endverbraucher eine sehr gefährliche Situation mit einem sehr hohen Verletzungsrisiko.


Videos auf Youtube sind der Renner. Dabei gab es diese verstörenden kleinen Filmchen ja schon früher auf kleinen Fernsehern in den Regalen der Baumärkte. Ausreichende Informationen? Weitestgehend Fehlanzeige.

Es ist schon witzig, wenn man die Vorgaben einer ETA-Zulassung mit den Inhalten des Videos vergleicht. Hier wird von entsprechend geschultem Personal unter Aufsicht eines Bauleiters gesprochen. Ein Schelm wer da Böses denkt.


Die mögliche Montage

Meist versucht der Endverbraucher die im Internet erworbene Markise auch selbst zu montieren, DIY-Markt sei Dank. Nehmen wir hier nur mal den Fall WDVS. Was macht der Endverbraucher? Falls überhaupt eine Beratung stattfindet, dann im Gang des Baumarktes ohne zu wissen, was am Montageort überhaupt an-gesagt ist. Der Endverbaucher ist so auf Tod und Teufel dem Berater im Baumarkt ausgeliefert. Es mag gute und schlechte geben, im Regelfall ist er nicht in der Lage, fachgerecht zu beraten und das richtige Befestigungsmittel auszuwählen.

 

  Vielfache Besuche der Redaktion in DIY-Märkten mit entsprechenden Beratungsgesprä-chen zeigten auf, dass es in 10 : 1 Fällen zu einem katastrophalen Ergebnis führen würde, wenn die Markise einen entsprechenden Wind-schlag abbekommt und Personen daruntersitzen. So gesehen ist es eigentlich unverständlich, dass Markisen von unqualifizierten Personen montiert werden dürfen.

Äußerst rudimentäre Informationen im Internet schaffen keine Sicherheit für den Verwender, denn was sind z. B. verstärkte Wände? Das Motto lautet also seitens der Anbieter sich nicht genau festzulegen, dann kann man sich nachher auch gut rausreden, wenn es nicht funktioniert.


" Den Schaden hat der Endverbraucher ... "


Fazit:

1799 Euro hat der Kauf der Markise gekostet, also nicht gerade ein Schnäppchen. Schon im ersten Testbereich Wind ist das Ergebnis ein Totalschaden, ganz abgesehen davon, dass die Markise aufgrund der fehlenden Zertifizierung gar nicht hätte geliefert werden dürfen. Die Optik des Markisengestells, die Elektroverkabelung oder die vielen Fehler im Stoff des Markisentuches zeichnen ein zusätzliches düsteres Bild.

Den Schaden hat der Endverbraucher und natürlich auch indirekt der Fachhandel, denn immer dieser eine bestellte Auftrag übers Internet wird schon meist gar nicht mehr beim Fachhändler angefragt, da der Endverbraucher fast automatisch davon ausgeht, dass der Fachhandel zu teuer ist. Und das obwohl er bei diesen genannten Preisen zusammen mit der Montage durchaus ein interessantes Angebot an den Kunden machen könnte. Der kauft aber lieber billig und empört sich dann auch noch, wenn der vorher verschmähte Fachbetrieb die kaputte Markise nicht reparieren will. Spätestens dann hat er zum zweiten Mal verloren, wenn seine Argumentation nicht stimmt.